somnambule
2014-15
My new project “somnambule flowers” investigates different significations of flowers and mushrooms in relation to content and form. The open ended working method of the specific artistic process inspired the poetic term somnambule. When I grew up in the sixties doodling and drawing in big wallpaper pattern books, most of the patterns were, of course like nowadays, botanic motives, springtime leaves, colorful blossoms, nature fakes intended to paper the walls of our sweet homes. Obviously these infantile pictorial impressions shaped my mind; I reflect upon these influences in the series “somnambule flowers”, using decorative wallpapers with nature motives as well as my own landscape photographs as starting base for my assemblages.
I am creating a regressive Garden of Eden with my own patterns of pressed blossoms, leaves, plant roots, lamella circles made by mushroom spores. These overall thickets are even sometimes populated by jungle queens with magic-caps made out of dried and transparent blossoms, re-animated jaybirds, snakeskins, mushrooms and gold pheasants.
Transforming these regressive visual exuberances into artistic pictures, I take photographs of these assemblages with a large-format camera, using the space behind the assemblages as well as the space of the large format camera’s bellows. For the staging of the final photographic shot these two-dimensional picture constellations have been expanded spacially and temporally.
Spacially backwards: on the collages’ rear side “floating” leaves, tendrils, plant roots have been glued and backlit with flashlights from the back of the assemblages into the picture procedure. Spacially forwards: into the bellows of the large format camera I’ve adhered blossoms and flowers, where they blacken the film negative nearly chaotically and in terms of composition photogram-like outline and shape the motif.
Temporally: Before taking any photographs I’ve been pretreating half of my analog 4×5 inch film material with mushrooms, which pollute out their spores latently on the film sheets, creating beautiful, but chaotic lamella circles. For this process sometimes several months have passed and the development of the artefacts on the film sheets also is accidentally and chaotic.
In the end I photograph the assemblages by accepting my own embedded obstructions resulting in a trompe l’oeuil-effect of the large formated and colorful prints. The observer is faced with an exuberant nature literally oozing out the picture creating oscillation figures regarding content and form. Flowers are mostly associated with their decorative functions as trivial motives, but for instance they reveal their symbolic functions at weddings and funerals where they represent fertility and death. Mushrooms are primary linked with hallucinogenic or toxic alchemism: their nature is half organic and half anorganic.
Photography very often is about perfection, the glossy representation of surfaces giving us shiny illusions of reality. In my actual project it is very important for me to let happen “fortunate coincidences” during the composition process. Not to refuse the author’s responsibility for the quality of his work, but to rebalance and reflect upon the paradoxically power and frailty of the artistic process. Using orphaned herbaria to print cyanotypes and integrating them into my collages feels like a kind of hommage to photography’s pioneers as Henry Fox Talbot and Anna Atkins.
My work “somnambule flowers” explores diverse symbolic meanings of flowers and mushrooms in both cultural history as well as personal biography reflecting upon the ambivalence of our existence. As in my former series “butterflies – I saved an Admiral’s life” the encounter of formative influences of beauty and death, the equilibrium of Eros and Thanatos, is important for my work.
somnambule flowers
series of 30 pictures in all
Lambda-print on Aludibond mounted with Diasec-Plexiglas (in shadow box frame)
ca 110 x 160 cm, edition of 5
ca 90 x 120 cm, edition of 7
ca 60 x 80 cm, edition of 5
Er sagt uns, wo die Blumen sind.
Neue Arbeiten von Thomas Zika
Der alttestamentarische Schöpfungsbericht legt uns nahe, den Beruf des Gärtners für eine der ältesten Beschäftigungen der Menschheitsgeschichte zu halten: mit dem Garten Eden formte Gottvater einen wünschenswerten Ort, der als „Paradies“ zum Urmotiv aller Sehnsüchte nach einer heilen, makellosen und wunderschönen natürlichen Umgebung geworden ist. Über die genaue botanische Beschaffenheit oder Zusammensetzung dieses Gartens erfahren wir indessen wenig: „die Erde brachte Gras hervor, Kraut, das Samen hervorbringt nach seiner Art, und Bäume, die Früchte tragen“. Das hört sich zunächst eher praktisch an, und von Blumen oder visuell attraktiven Zierpflanzen ist nicht die Rede. Aber bevor Gräser, Kräuter oder Bäume Früchte produzieren, blühen sie. Diese simple Naturbeobachtung hat möglicherweise dazu geführt, dass sich spätere Generationen das Paradies als wohlgestalteten Garten, eben als „Paradiesgärtlein“ vorstellten. Diese Imagination erreichte im Mittelalter einen bildnerischen Höhepunkt, u.a. mit dem Kölner Meister Stefan Lochner: seine Malerei versammelt eine Fülle identifizierbarer Zier- und Heilpflanzen, die sich ebenso als Zeichen für die Vergänglichkeit des irdischen Lebens deuten lassen (da sie in der Welt rasch verwelken) wie auch als Versprechen der Auferstehung (da sie im Paradies ewig blühen); in einem wechselseitigen Verweisungszusammenhang konnten Blumen wie vor allem die Rose oder die Lilie auch Symbole für die Jungfrau Maria oder den Gottessohn sein: bereits im Hohen Lied des Alten Testaments wird die himmlische Braut als eine Lilie, in anderen Übersetzungen als eine Rose ohne Dornen oder gar als ein ganzer verschlossener Garten (hortus conclusus) gepriesen. Insofern die himmlische Braut als Präfiguration, als Vorausdeutung der Heiligen Jungfrau verstanden wurde, konnte man die Blumensymbolik auf Maria, die reine Magd, mühelos übertragen. Eine weitere oft und gern dargestellte Blume, die Akelei, wurde, da die Form der Blüte an eine Taube erinnern soll, auch als „Taubenblume“ (engl. Colombine flower) bezeichnet und gilt daher als ein Symbol für den Heiligen Geist sowie, nach kabbalistischer Interpretaion als Bild für die immerwährende Anrufung Gottes. Der Nelke wurden verschiedene Heilwirkungen (u.a. Desinfektion, Gegengift oder Empfängnisförderung) zugesprochen; sie fand sich häufig auf Porträts von Brautleuten. Entsprechend schmückten auch einzelne Blüten dieser beliebten Pflanzen die Ränder von Stunden- und Gebetbüchern, Kalendarien, Evangelien oder Liederbüchern. Die christliche Bedeutung lebte noch bis ins Zeitalter der niederländischen Blumenstilleben fort: so war es auch Protestanten, die sich an das strenge Bilderverbot halten wollten, möglich, religiöse Aussagen ansprechend zu visualisieren. Zu jener Zeit, im 17. Jahrhundert, verselbständigte sich die Freude an schönen Blumen zum rein profanen Vergnügen: mit der Tulpenmanie erreichte die Begeisterung für exotische Setzlinge einen solchen Höhepunkt, dass die ausartenden Spekulationsgeschäfte mit den wertvollen Zwiebeln noch heute als Metapher für irrationale und/oder riskante Geschäfte gilt.
Wahrscheinlich gibt es anthropologisch plausiblere Erklärungen dafür, warum wir Blumen so mögen, als die resümierte kulturgeschichtliche Herleitung: z.B. dass wir konditioniert wurden, etwas schön zu finden, das uns ernährt – nach der einfachen Formel „was blüht, bringt vielleicht Eßbares hervor“. Jedenfalls erweist sich das Blumenmotiv als eines der beliebtesten Ornamente, die je bei der Gestaltung von Artefakten zum Einsatz kamen. U.a. bieten sie sich für das Design von zweidimensionalen Flächen, z.B. Textilien wie Kleiderstoffen, Teppichen und Vorhängen oder auch von Tapeten an. Selbst wenn zwischenzeitlich das Ornament als Verbrechen geschmäht wird – Blumen kommen nie völlig aus der Mode.
So fand Thomas Zika einen schier unerschöpflichen Vorrat an Blumenmustern und –darstellungen, die er in seiner Serie somnambule flowers würdigt. U.a. verwendete er Fragmente von Papiertapeten oder zierlichen Häkelspitzen als auch eigene Landschaftsaufnahmen als Ausgangspunkt für seine bildnerischen Assemblagen, in die er überdies echte Blumen und Blüten (sowie Wurzeln oder einzelne Blätter) integriert, bevor er die Materialkonstellationen mit der Großformatkamera fotografiert. Mit diesen hybriden Arrangements aktualisiert er nicht nur den Schöpfungsmythos vom Garten Eden; subtil werden einige Kompositionen mit „Schönheitsköniginnen“ aus den Magazinwelten der 1950er und 60er Jahre bevölkert; Pilze hinterlassen ihre Spuren als ornamentale Lamellenabdrücke; sie repräsentieren das wesenhafte Reich zwischen Tieren und Pflanzen und vervollständigen damit die Daseinsvielfalt, die u.a. auch durch Federn von Goldfasanen oder Schlangenhäuten zitiert wird.
Zikas Werkgruppe erörtert überdies Besonderheiten der „Photographie“ als eines Darstellungsmodus‘ und als eines Welterklärungsmodells, bei dem Plan und Zufall gleichermaßen eine Rolle spielen. Pflanzensilhouetten, die sich – im Kamerabalgen platziert – wie von selbst zur Anschauung bringen, reflektieren die Anfänge der Photo-Geschichte, z.B. die photogenen Experimente von Henry Fox Talbot (Pencil of Nature).
Formal betören und verwirren die leuchtkräftigen Bilder von Thomas Zika durch das – in der fertigen Fotografie – verunklärte Layering der verschiedenen Bildebenen. Deren Zusammenfügen stellt einen eigenen Schöpfungsakt dar: ähnlich wie sich ein Renaissancekünstler als Zoographos verstand, als nachgestaltender Schöpfer von Lebendigem mit den Mitteln der Malerei, erweist Thomas Zika den gestaltenden Prinzipien von Chaos und Ordnung sowie von Kombinatorik und Rekombinatorik Referenz. Doch nicht nur das: er assoziiert auch das Urprinzip, das jede Schöpfung erhält, der Zyklus von Leben und Tod, von Entstehen und Vergehen – und zwar sowohl auf der biologischen als auch auf der kulturellen Ebene: beispielsweise kommen Blumen als schmückende und symbolische Beigaben sowohl bei Hochzeiten als auch bei Beerdigungen zum Einsatz; Pilze können beim Verzehr tödliche Wirkung entfalten oder – als Halluzinogene – neue Vorstellungswelten eröffnen.
Anna Zika